Samstag, 29. August 2015

Schweinesonne

Ich gebe es ganz offen zu, das mittlerweile faszinierendste Tier (neben Rotwild, aber das haben wir bei uns nicht im Revier) sind Wildschweine. Wildschweine sind unglaublich. Wirklich. Ich habe schon so manchen Schweinekontakt auf Drückjagden gehabt, diese Tiere sind faszinierend. Mittlerweile kann ich durch den Wald laufen und man riecht sie förmlich, wirklich sehen kann man sie aber nicht. Wildschweine sind wohl das Cleverste, was hier herumläuft, dagegen ist ein Fuchs ein Dummchen - und die sind schon ziemlich schlau.
Nicht nur ihre enorme Anpassungsfähigkeit, sie nutzen die ökologischen Nischen perfekt aus und vermehren sich praktisch ungehindert - wir Jäger können da nur den Hut vor ziehen - nein, auch ihre unglaubliche soziale Struktur macht sie zu etwas besonderem. Wildschweine sind wehrhaft, hierarchisch und gleichzeitig liebevoll mit ihren Frischlingen, wobei da auch gerne mal ein frecher Frosch über die Kirrung fliegt.
Der geneigte Leser hört es bereits. Ich bin fasziniert. Mehr als fasziniert, ich bin ein bisschen verliebt.
Nun hatte ich meine ersten zwei ernsthaften Schweinekontakte mit Waffe, das Gefühl, wenn die Schweine anwechseln ist schlicht irre. Gestern Abend hatte ich mich -mehr schlecht als recht- auf meinem Hochsitz zurechtgefuckelt, den grossen Hund auch noch irgendwo verstaut, alles ziemlich klappersicher irgendwo hingelegt, wo ich die wichtigen Dinge schnell finden konnte, es war ganz schön eng. Irgendwie hatte ich es geschafft meine Wenigkeit auf dem Stuhl so zu placieren, dass ich die Augen zumachen konnte und auch Freya, die mittlerweile eine ziemlich tolle Begleiterin ist, schlief tief und fest und träumte von Hasenjagden oder dergleichen.

Wie dem auch sei, man schläft im Wald nie wirklich tief (ausser auf der Schlafkanzel, aber das ist eine andere Geschichte) und ich hörte es knacken. Igel, ganz sicher Igel. Aber das Grunzen wollte so gar nicht zu Igeln passen. Komisch, als Jungjägerin lasse ich mich noch allzu gern aufs Glatteis führen. Peltor leise aufgesetzt, Waffe aber stehen lassen, Fernglas hochgenommen, obwohl das Licht des Mondes an meiner Kirrung mehr als genug war, um alles zu sehen, was sich im Licht des Mondes befinden würde. Alles ausserhalb wäre sehr schwer anzusprechen und damit für mich nicht erreichbar. Einen Fehler möchte ich mir nicht erlauben, einen Fehlschuss oder dergleichen, deshalb lasse ich den Finger lieber gerade, ehrlich gesagt.
Auf einmal stand sie da. Wie ein Scherenschnitt aus schwarzem Karton, ein Wildschwein. Ein ziemlich Grosses sogar. Freya war unterdessen aufgewacht, verhielt sich aber völlig still, gutes Mädel. Ich nahm leise meine Waffe auf, die Sau stand breit und sicherte über die Kirrung hinweg. Zu dem Zeitpunkt konnte ich das Tier noch nicht korrekt ansprechen, sprich, ich war mir unsicher, ob es sich um eine Bache oder einen Keiler handelte. Wie von meinem Jagdherren immer wieder gehört: Lass dir Zeit, warte ein paar Minuten ab. Es waren viele, viele lange Sekunden, Relativitätstheorie in der Praxis. Ich konnte es hinter dem grossen Schwein knacken hören. Als Jungjägerin bin ich noch nicht geübt darin zu unterscheiden, ob da weitere grosse, oder viele kleine Schweine kommen. Der kleine rote Punkte leuchtete unterdessen perfekt auf das Blatt des Schweins. Abziehen? Warten? Ich entschied mich für Warten, denn da war ja noch was im Busch. Langsam zog die Sau über die mondbeschienene Kirrung, so langsam, dass ich weiterhin versucht war abzuziehen, die Waffe war längst entsichert. 4mm und etwas Abzugsgewicht "meiner" geliebten Voere trennten das Tier vom Tod, für den Moment pardonnierte ich es. Aber?

Dann ging es rasend schnell, auf einmal war die ganze Kirrung voll mit kleinen Schweinen, 10-12 konnte ich zählen, und noch ein zweites, grosses Schwein dabei. Zum Glück war ich so geistesgegenwärtig und habe es verschont, ich hätte die Leitbache weggeschossen, die Frischlinge waren nicht mehr gestreift, es wäre kein Jagdvergehen gewesen, für das man mich vor Gericht hätte belangen können, aber eine erfahrene Bache ist Gold wert. Es gilt solche Tiere zu verschonen. Ich war einerseits kurz erleichtert und dann erst richtig angespannt, im Peltor konnte ich neben den schmatzenden Schweinen meinen Herzschlag hören, von Müdigkeit keine Spur mehr, Adrenalin rauscht durch den Körper, das Herz schlägt höher, Jagdfieber. Die schlaue Bache führte ihre Frischlinge genau auf den dunklen Schatten der Kirrung, wenn sich einer schnell -zu schnell für eine unerfahrene Jungjägerin- auf die hellen Flecken verirrte, wurde er zurückgegrunzt. Die ganze Zeit hatte ich die Waffe bereit im Anschlag, es war klar, dass es den kleinen Frischlingen galt und ich wartete -innerlich ungeduldig- äusserlich still, fast schon mit angehaltenem Atem auf meine Chance.

Sie kam nicht, die Bache war zu schlau und zeigte ihren Kindern, wie sie sich in einer Vollmondnacht verhalten müssen, um den nächsten Tag zu erleben. Eine halbe Stunde hörte ich sie schmatzen und wühlen, schubbern und quieken. Fast schon unerträglich. Keins machte einen Fehler, die Türmchen der Kirrung mit etwas Mais darunter, die wohlweislich genau im Mondlicht lagen, blieben unberührt.  Ich konnte sie immer wieder kurz sehen, aber es stand nie eines so breit, dass ich zum Schuss kam. Auch das ist Jagd. Das stachelt an.

Ich bemerkte meinen Fehler zu spät, weil es so unerträglich heiss in der Kanzel war, als wir aufbaumten, hatte ich zwei Fenster geöffnet, als die Sauen anwechselten stand mir der Wind perfekt im Gesicht, auf einmal spürte ich ihn links im Gesicht und damit ging ein Luftzug durch meine Kanzel. Man sagt, dass Schweine nicht gut äugen (sehen), aber sehr gut winden (riechen). Die Bestätigung dafür erhielt ich an diesem Abend. Vermutlich war es die Melange aus Hund und Mensch, die der Bache verriet, dass sie gerade alle mit dem Leben davon gekommen waren, mit einem empörtem Blasen und lauten Geraschel waren alle in Windeseile verschwunden. Wie Schatten.


Montag, 24. August 2015

Hund verschwunden...

Freya war ziemlich böse weg, fast 3.5 Stunden.... Was ist passiert?

Zuächst: Wie man einen Hund suchen sollte, der im dichten Wald "abgehauen" ist: Warten (bis zu 1. Stunde), falls zu lang, Decke, Rucksack, Kleidungsstück hinlegen, Auto auf dem Parkplatz öffnen und warten. Ja, einfach warten.... Hätt ich das so gemacht, ich hätte meinen Hund innert 30 min wieder gehabt. Das wichtigste: trust your dog. Dem Hund vertrauen, dass er wieder kommt. Es sind Jagdhunde, die kommen wieder. 

Freya und ich sind gerade dabei einen guten Weg in Richtung "freilaufen ohne Leine" zu finden und ich war jeden Tag positiv und positivster überrascht, wieviel dieser Hund begriffen hat und wie eng ihre Bidung ist. Aber wieso passiert dann so ein Mist?
Ganz einfach....

Wie man einen Hund NICHT suchen sollte:
Entferne dich kopflos nach 10 Minuten von dem Platz, wo der Hund verloren ging, gehe dabei auf keinen Fall auf dem eigentlich bekannten Pfad, sondern denk dir: Mistkröte, jetzt verarsch ich dich erst recht und geh ganz woanders lang. Tu das möglichst in einem Waldstück, wo es viele verschlungene, kleine Wege gibt, die sehr unübersichtlich sind. Vertraue deinem Hund auf gar keinen Fall, dass er clever genug ist, dich zu finden, gib ihm auch möglichst keine Zeit dazu. 
Wenn dir die Zeit dann doch zu lang vorkommt, geh auf irgendeinem Weg, der nicht der ist, wo ihr euch verloren habt, auf und ab und ruf dort ein bisschen. Pfeife auch. 
Unterdessen wird der Hund bereits krampfhaft nach dir suchen:"Öööh, also ich hab ihren Hund vor 10 Minuten da hinten auf dem Weg gesehen, er kam schnell, ist dann aber wieder weg." Sind Aussagen, die du ernst nehmen solltest. Kein Hund, der ein Reh hetzt, läuft auf dem Weg. Aber nein, anstatt dein Auto zu öffnen und wenigstens am Parkplatz zu warten, lauf hin und fahr weg. Zum nächsten Bauernhof, um den Bauern um Rat und Hilfe und bitten. Lass dein Auto dort stehen und fahr mit dem Traktor weiter. Am besten ans andere Ende des Reviers, wo unterdessen der Jagdpächter, den du pflichtbewusst informiert hast, mit einem Gator auf dich wartet. Steige vom Traktor in den Gator. Dieser Spurwechsel wird deinen Hund in spätestens 15 Minuten sehr verwirren. Denn dann taucht er dort auf, es sind natürlich alle Spaziergänger informiert, die Info kommt per Telefon. 
Natürlich wirst du deinen Hund so nicht finden, aber das Gefühl durch ein 1000ha Revier zu fahren ist 1. cool und 2. tut man aktiv etwas, um den Hund zu finden (nein, nicht wirklich, aber egal. Aktionismus ist prima!). Unterdessen hat der supernette( nein, völlig ohne Ironie, der war echt genial!) Jäger seine Jagdkollegen verständigt. Gib diesen vorsorglich den Rat genau so zu pfeifen, wie du es tust, um deinen Hund mit 4x dem gleichen Pfeifton im Revier weiter zu verwirren, nur so gewinnst du das Versteckspiel. Unterdessen haben wir gemeinsam das ganze, wunderschöne Revier angeschaut, ein bisschen über Hunde gequatscht und gemeinsam befunden: Mehr können wir nicht tun, wir sind alles abgefahren. Der Hund wurde unterdessen aber immer mal wieder gesichtet, nur wir haben ihn NICHT gesehen (Komisch, aber so funktioniert verstecken, wenn du nicht willst, dass dich jemand findet, such ihn...). Ein guter Tipp ist auch: Lass möglichst Fremde deinen Hund suchen, ruf bloss niemanden an, den der Hund kennen könnte, sonst endet das Spiel zu schnell und der Hund wähnt sich in Sicherheit.
Nachdem wir befunden hatten, dass es so einfach nicht werden würde und das arme Hundchen wohl draussen übernachten müsste, beschloss ich kurz heimzufahren, um zu schauen, ob sie dort wauf mich wartete, dabei hatte ich so viele, tolle Spuren im Revier hinterlassen, dass sie eigentlich beschäftigt war. 

Aber es wurmte mich dennoch, Freyas Art war es eben gar nicht einfach so zu verschwinden, sie hatte mich auf jedem Spaziergang mit noch so viel Wild immer wieder gesucht und probiert den Kontakt mit mir aufrecht zu erhalten, nach vier Monaten ist ihre Führerbindung schon sehr stark. Also bin ich wieder hoch, auf den Parkplatz, wo wir den Spaziergang gestartet hatten. Dort fand ich, völlig erledigt auf "meinem" Parkplatz liegend, meinen Hund vor. Sie sprang mit eingezogener Rute, zitternd, durchnässt, dreckig und voller Kletten in mein Auto und rollte sich auf der Rückbank zusammen. 

Ich muss sagen: Ich habe noch NIE so kopflos gehandelt, es ärgert mich, dass ich mich nicht an die elementarsten Regeln gehalten habe. Allerdings: Ich war besorgt, wäre eine Untertreibung meines Gemütszustandes gewesen. Ich war ausser mir, in der Nähe zwei gefährliche Strassen, der Wald unübersichtlich dicht und daneben grosse Maisfelder mit sicherlich einigen Wildschweinen darin. Ich hatte alle Horrorszenarien im Kopf, die man sich ausmalen kann. Auf dem Memo an mich steht: 1) das nächste Mal: bleib ruhig 2) übe mit Freya IMMER an deinem Rucksack Platz zu machen und zu warten, bis ich komme 3) sei froh, dass dein Hund clever ist und 4) TRUST YOUR DOG! hätte ich ihr vertraut, dass sie mich findet, wenn ich dort bleibe, wo wir uns verloren haben, dann wäre das ganze in 10-20 Minuten gegessen gewesen. 
So haben wir einen Abend lang ein sehr gefährliches Versteckspiel gespielt. 

Freya ist immer noch völlig von der Rolle und lässt mich keine Sekunde aus den Augen, nicht einmal Katzen auf der Strasse werden grossartig beachtet. Armes Mädel.